Gemeinwohldienst: Systembeziehungen

Welche Veränderungen würde ein selbstbestimmter Gemeinwohldienst im Wirtschaftssystem bewirken?

Ich gehe von der Annahme aus, dass der Gemeinwohldienst zunächst in kleinem Maßstab eingeführt wird und danach schrittweise erweitert wird. Die darauf folgende Frage ist: wie wirkt sich die Vermehrung der Stellen im Wirtschaftssystem aus?

Die erste und direkte Wirkung ist, dass die Gemeinwohldienstleistenden mehr Geld haben. Da die meisten von ihnen kein hohes Einkommen haben, geben sie jeden Monat fast ihr gesamtes Einkommen aus. Dies führt zu einer unmittelbaren Erhöhung der Konsumausgaben.

Die Konsumausgaben kommen Unternehmen zugute – ganz besonders in Regionen mit hoher Erwerbslosigkeit und in Krisenzeiten, da sich in diesen Regionen und Zeiten besonders viele Menschen zum Gemeinwohldienst melden, und ihre Kaufkraft da im Vergleich zur Gesamtwirtschaft besonders bemerkbar ist.

Als Folge wird die Wirtschaft insgesamt stabilisiert. Unternehmen in Krisenzeiten und -regionen können mehr Menschen anstellen bzw. brauchen niemanden zu entlassen.

Eine hohe Zahl von Gemeinwohldienststellen stärkt die Verhandlungskraft der abhängig beschäftigten Menschen. Niedrig entlohnte Menschen haben eine Exit-Option, die besser ist als ihr gegenwärtiges Beschäftigungsverhältnis – hinsichtlich der Höhe der Bezahlung sowie der Zufriedenheit, die sie aus der Tätigkeit ziehen können. Sie können einen Gemeinwohldienst leisten und dafür ihren jetzigen Job von Vollzeit auf Teilzeit reduzieren, oder auf eine (Teilzeit-)Stelle verzichten. Auch Gewerkschaften können in ihren Verhandlungen auf diese Option ihrer Mitglieder verweisen.

Die gestärkte Verhandlungskraft der abhängig Beschäftigten erlaubt ihnen, höhere Löhne auszuhandeln. Die höheren Einnahmen der Unternehmen erlauben ihnen, auf die erhöhten Lohnforderungen einzugehen (obwohl die direkte Wirkung der Lohnerhöhungen auf die Unternehmensbilanzen negativ ist, symbolisiert durch den roten Pfeil). Die erhöhten Löhne führen zu einer Stärkung der Kaufkraft der bisher niedrig entlohnten Menschen und zu einer weiteren Stabilisierung der Wirtschaft durch ihre Konsumausgaben.

Eine erhöhte Zahl der Gemeinwohldienststellen bedeutet, dass mehr Menschen Tätigkeiten im Sinne des Gemeinwohls ausüben. Diese Tätigkeiten sowie die erhöhte Stabilität der Wirtschaft führen dazu, dass soziale und ökologische Probleme vermindert werden.

Der Gemeinwohldienst erfordert natürlich öffentliche Ausgaben. Ein bedeutender Teil dieser Ausgaben kann aber durch folgende Einsparungen finanziert werden:

  1. Die verminderten sozialen und ökologischen Probleme erlauben dem Staat, manche seiner diesbezüglichen Ausgaben zu senken.
  2. Die Lohnerhöhungen im Niedriglohnsektor führen dazu, dass weniger Menschen ihr Arbeitseinkommen mit Sozialleistungen aufstocken müssen.
  3. Gemeinwohldienstleistende, die bisher Sozialhilfen wie z.B. Arbeitslosengeld oder Wohngeld bezogen, brauchen die nicht mehr, oder nicht mehr im selben Umfang.

Die positiven Wirkungen des Gemeinwohldienstes dürften direkt und indirekt zu erhöhter Zufriedenheit vieler Menschen führen.

Als Folge gäbe es hohe gesellschaftliche Unterstützung für die Ausweitung des Gemeinwohldienstes und Druck auf alle politischen Parteien, die Zahl der Gemeinwohldienststellen zu erhöhen. So könnte der Gemeinwohldienst mit der Zeit flächendeckend eingeführt werden, ähnlich wie historisch in den Fällen der Sozialversicherungen und des Wahlrechts geschehen.

Fazit: Ein selbstbestimmter Gemeinwohldienst würde dazu beitragen, dass

  • Vollbeschäftigung bei anständigen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen erreicht wird,
  • die Wirtschaft stabilisiert wird,
  • sich die Lebensbedingungen im gesamten Land angleichen,
  • die Menschen mobilisiert werden, vor Ort die sozialen und ökologischen Probleme anzugehen, und
  • größerer gesellschaftlicher Zusammenhalt erreicht wird.

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