„Eigentum“ wird von Befürwortern ebenso wie von Kritikern oft mit einem Absolutheitsanspruch versehen, der in der realen Welt selten existiert. Meine Definition des Eigentums im Buch Wirtschaft neu erfinden richtet sich stattdessen nach der Tradition, es als ein „Bündel von Rechten“ anzusehen:
Eigentumsrechte sind … zu definieren als Rechte, eine Sache alleine oder zusammen mit anderen zu nutzen und Unbefugten vorzuenthalten, an andere weiterzugeben oder zu veräußern, unter gewissen Umständen auch zu zerstören, aber immer unter dem Vorbehalt der Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen, das diese Rechte anerkennt und damit erst erzeugt hat. Diese Rechte brauchen weder alle gleichzeitig vorhanden noch in einer einzigen natürlichen oder juristischen Person vereinigt zu sein. Wenn viele verschiedene Menschen eine Sache (z. B. ein Unternehmen, eine Organisation oder eine natürliche Ressource) nutzen oder pflegen, ist es sinnvoll, Eigentumsrechte je nach ihren Beiträgen auf mehrere Personengruppen zu verteilen. (S. 121-122)
In der liberalen Tradition werden Eigentumsrechte begründet als Anreiz und Belohnung für Leistung und verantwortliches Handeln. Leider gibt es aber einerseits sehr viele Eigentumsrechte ohne entsprechende Leistung und Verantwortung, und andererseits großen Arbeitseinsatz und Leistung ohne Belohnung durch Eigentumsrechte.
Eine erfolgreiche Transformation zu einer Wirtschaft der Lebensfülle erfordert neue Regelungen, wer auf welche Weise Eigentums- und Nutzungsrechte erwerben kann und welche Pflichten mit diesen Rechten verbunden sind. Eigentumsrechte sind hier wie im vorigen Kapitel (S. 121) als Teil eines gesamten Komplexes von Eigentumsbeziehungen der gegenseitigen Verpflichtung zu definieren. Damit würde dem in Artikel 14 des deutschen Grundgesetzes ausgesprochenen Grundsatz, dass Eigentum verpflichtet und dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, der nötige Nachdruck verliehen. (S. 151)
Folglich geht es im 9. Kapitel des Buches
um die Frage, wie Eigentumsbeziehungen konsequent nach dem Grundsatz ausgestaltet werden könnten, dass man durch Arbeit und Verantwortung Eigentumsrechte erwirbt – und ohne Leistung und Verantwortung keine Eigentumsrechte erhält bzw. bestehende Eigentumsrechte verwirkt. Die Konsequenz einer entsprechenden Transformation der Eigentumsbeziehungen … : verpflichtungsloses Eigentum wird in Eigentum umgewandelt, das mit Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen und anderen Marktteilnehmern verbunden ist. Je nach Kontext eignen sich verschiedene Ausgestaltungen der Eigentumsbeziehungen, z. B. genossenschaftliche Eigentumsformen für Unternehmen und andere Organisationen, und Commons (oft als Einschränkung der Eigentumsrechte) für Güter und Ressourcen, die in einer größeren Gemeinschaft oder einem losen Netzwerk gepflegt und genutzt werden. Außerdem sollten wir uns auf die öffentlichen Güter und deren demokratische Verwaltung zurückbesinnen. (S. 155)